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Warum ich nie Werbetexter werden wollte

Warum ich nie Werbetexte schreiben wollte …

… und es inzwischen mit Freude und Überzeugung tue.

Werbung ist Volksverdummung. Langweilig. Überflüssig. Irreführend. Werbung machen bedeutet: Verkaufen um des Verkaufens Willen. Überkonsum ankurbeln. Lügen.

Alles richtig. Alles falsch. Ein paar persönliche Erkenntnisse.

Dieser Beitrag ist rein beruflich. Dieser Beitrag ist recht persönlich. Ich arbeite – mit unterschiedlicher Intensität – seit mehr als 15 Jahren als Werbetexter. Ich habe Texte für Websites, Newsletter und Mailings geschrieben. Texte für Flyer, Broschüren, Anzeigen und vieles mehr. Ich habe als Texter in Agenturen und als Freelance-Texter gearbeitet. Ich habe im letzten Jahr jede Menge Zeit und Energie investiert, um mich als Werbetexter zu positionieren. Du bist gerade auf meiner Website. Hier geht es (fast) ausschließlich um Werbetexte. Trotzdem wollte ich nie Werbetexter werden.

Wie passt das zusammen? Die kurze Antwort: Innere Haltungen können sich ändern.

Die ausführliche Antwort? Begann mit einem Anruf im Dezember 2021.

Eine frühere Kollegin aus meiner ersten Agenturstation rief mich nach langer Funkstille mal wieder an. Ob ich noch texten würde? Sie bräuchte einen Werbetexter für die Website einer Hamburger Stiftung. Ich bejahte. Vermutlich mit der mangelnden Euphorie und Überzeugung, die ich zu jener Zeit für diese Tätigkeit empfand. Beiläufig – und etwas amüsiert, wie mir schien – merkte sie an, dass ich ja nicht einmal eine eigene Website hätte. Ich ging nicht weiter darauf ein. Sie umriss kurz das anstehende Projekt und sagte, dass sie sich zeitnah mit weiteren Infos melden würde. So verblieben wir vorerst.

Wozu?, fragte ich mich, nachdem wir aufgelegt hatten.

WOZU BRAUCHE ICH EINE WEBSITE?

Ich befand mich in einer Art beruflicher Findungsphase – die allerdings schon seit einigen Jahren andauerte. Ich war seit längerer Zeit Freelancer. Alle paar Wochen kamen Übersetzungsaufträge rein, hin und wieder ein Textjob. Die meisten beruflichen Gedanken kreisten um die Arbeit an meinem neuem Buch. Zwei Jahre zuvor hatte ich meinen Debütroman veröffentlicht. Nicht ohne Erfolg bei Kritik und Publikum. Doch obwohl die erste Auflage innerhalb weniger Monate vergriffen war, ließ sich nicht länger verdrängen, dass die Sache ein wirtschaftliches Desaster war. (Zur groben Einordnung: Mit den Verkäufen des Buches, an dem ich ca. 5 Jahre gearbeitet hatte, verdiente ich in etwa soviel, wie heute in einem halben Monat. Der Literaturbetrieb – das Eldorado (sic!) der Selbstausbeuter:innen.) Trotzdem stand fest: Ich wollte nichts weniger, als Werbetexter sein.

Gründe dafür gab es viele. Ein Auszug aus der Liste meiner damaligen Glaubenssätze.

GLAUBENSSÄTZE ÜBER DIE WERBUNG

Werbung ist langweilig.

Werbung ist Volksverdummung.

Werbung ist überflüssig.

Werbung ist irreführend.

Werbung bedeutet: Verkaufen um des Verkaufens Willen.

Werbung bedeutet: Dinge verkaufen, die niemand wirklich braucht.

Werbung bedeutet: Überkonsum ankurbeln.

Werbung bedeutet: lügen.

Und vor allem: Werbetexte zu schreiben, ist unter meinem Niveau.

Schließlich war ich doch dazu bestimmt, Schriftsteller zu sein, Romane zu schreiben – das Wahre, Schöne, Gute!

GUTE WERBUNG, SCHLECHTE WERBUNG

Das Interessante: Viele dieser Sätze würde ich heute noch unterschreiben. Es stimmt: Ein Großteil der Werbung, die tagtäglich auf uns einprasselt, ist langweilig, überflüssig, irreführend. Viele Produkte und Dienstleistungen, die darin angepriesen werden, sind verzichtbar – oder sogar schädlich für Mensch und Umwelt. Unfassbare Summen werden für fragwürdige Marketingkampagnen verpulvert, die überteuerte Produkte in übersättigte Märkte pushen.

Aber.

Der große Unterschied zu damals: Ich würde die Sätze nicht mehr in ihrer Allgemeingültigkeit unterschreiben. Es sind keine Glaubenssätze mehr. (Wer und was mir dabei geholfen hat, hinderliche Glaubenssätze über Bord zu werfen, schreibe ich bei anderer Gelegenheit …)

Wichtig im jetzigen Kontext: Ich habe neue Erkenntnisse gewonnen. Und zum Teil auch alte Erkenntnisse reaktiviert. Denn:

Werbung kann unterhaltsam sein.

Werbung kann Aufklärungsarbeit leisten.

Werbung kann zu gesellschaftlichen Debatten beitragen.

Werbung sagt sogar manchmal die Wahrheit.

Für mich persönlich aber die wichtigste Erkenntnis: Werbetexte zu schreiben, ist nicht zwangsläufig unter meinem Niveau.

Vielmehr liegt es an mir selbst, was ich daraus mache.

ICH HEBE DAS NIVEAU DER WERBETEXTE

Wenn ich für Kund:innen, Produkte oder Dienstleistungen werbe, die mir am Herzen liegen, kann das sehr erfüllend sein. Ich lerne neue Persönlichkeiten, Welten und Sichtweisen kennen – und verhelfe anderen Menschen mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten zu mehr Erfolg. Was könnte schöner sein?

Auch das Vorurteil, Werbung sei immer oberflächlich, hat sich als falsch herausgestellt. Gerade der Prozess, der dem Texten vorausgeht, ist oft sehr intensiv und tiefgreifend. Die Gespräche mit Unternehmer*innen und Kolleg*innen, das Eintauchen in neue Geschäftswelten, das Herausarbeiten von Unternehmenswerten und persönlichen Antrieben – all das ist hochinteressant, herausfordernd und herrlich abwechslungsreich.

Zur Zeit arbeite ich an mehreren Projekten, bei denen es – neben der verbesserten Außendarstellung durch Werbetexte – auch um die strategische Neuausrichtung der Kund:innen geht. Für mich eines der spannendsten Felder im Bereich des unternehmerischen Handelns – direkt an der Schnittstelle von Kerngeschäft, Mitarbeiterführung und Marketing. (Auch darüber berichte ich ein anderes Mal gern ausführlicher …)

Inzwischen freue ich mich über jeden Anruf meiner früheren Kollegin und über jede neue Anfrage. Ich arbeite wirklich gern als Werbetexter – obwohl ich nie einer werden wollte.